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Bluewashing vs. Greenwashing - Blau ist das neue Grün

Autor:in Nicole Feger

Datum: 2022-08-01

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Neben den mittlerweile bekannten Greenwashing-Taktiken wird unter anderem in der Modebranche ebenfalls so genanntes Bluewashing betrieben. Beide Begriffe sind an das englische Wort für Schönfärberei (whitewashing) angelehnt. Im Grunde geht es darum, dass Unternehmen sich in der Öffentlichkeit besser darstellen, als sie in Realität handeln. Während es sich bei Greenwashing um die falsche oder übertriebene Darstellung von Nachhaltigkeitsaspekten dreht, werben Unternehmen bei Bluewashing mit sozialen oder ethischen Kampagnen, welche Konsument:innen ein falsches Bild suggerieren [1].

Laut Verbraucherportal Bayern bezeichnet Greenwashing daher „Bemühungen von Unternehmen, durch Marketing und PR-Maßnahmen ein „grünes“ Image zu erhalten, ohne sich in Wirklichkeit besonders für die Umwelt zu engagieren“. Bluewashing wird im Hinblick auf soziale Aspekte als „moralische Ablenkungsmanöver bezüglich des sozialen Engagements“ bezeichnet, da oft soziale Missstände im Unternehmen vertuscht werden sollen [2]. Man nennt es daher auch Social Washing. Mit wachsender Aufmerksamkeit über die soziale Komponente von Nachhaltigkeit und immer größer werden dem Druck auf Unternehmen, treten leider auch immer mehr Fälle von Bluewashing in die Öffentlichkeit.

Die Geschichte des Bluewashings

Entstanden ist der Begriff Bluewashing in Anspielung auf die blaue Farbe der UNO, deren „Global Compact“ Menschenrechte fördern soll. Bei solchen freiwilligen Initiativen ohne konkreten Verpflichtungen besteht jedoch eine Gefahr, dass ein Beitritt zu Werbezwecken missbraucht wird. Dass die Einhaltung von Prinzipien nicht kontrolliert wird, hat zur Folge, dass sich Unternehmen mit dem blauen Emblem des UN-Entwicklungsprogramms zeigen dürfen, ohne die entsprechenden Werte umzusetzen [3]. Besonders in der Textilbranche gibt es ein ähnliches Phänomen durch die Veröffentlichung freiwilliger Verhaltenskodexe, welche allerdings auf Selbstkontrolle der Firmen basieren. Das größte Problem dahinter ist, dass die Einhaltung des Kodex nicht von unabhängigen Organisationen kontrolliert wird. Soziale Verträglichkeit behaupten kann somit eigentlich jeder auf dem Markt. Außerdem werden Sozialstandards meist nicht konkret genug formuliert. So werden zum Beispiel keine existenzsichernden, sondern nur ortsübliche Lohnzahlungen gefordert. Oftmals wird auch die Verantwortung an Zulieferer weitergegeben anstatt ethische Praktiken entlang der gesamten Lieferkette zu garantieren. Standards bei Drittlieferanten in Billiglohnländern werden somit nicht kontrolliert oder bewusst außen vor gelassen [4].

Beispiel Primark Cares: Kann Fast Fashion wirklich nachhaltig sein?

Seit April 2022 tapezieren riesige blaue Plakate so manche Berliner U-Bahnhöfe. Die Message: „Primark Cares“ – für die Umwelt und Menschen. Dank sämtlichen Skandalen, die sich der Fast-Fashion Riese in den letzten Jahren geleistet hat, wird es zumindest einigen Konsumenten schwerfallen, der Modekette Glauben zu schenken. Im Jahre 2014 beispielweise berichteten mehrere Primark Kund:innen von eingenähten Zetteln in Kleidungsstücken. Näherinnen aus Billiglohnländern hätten darauf unter anderem Hilferufe verfasst und von ausbeuterischen Arbeitsbedingungen berichtet. Obwohl es laut Primark Hinweise darauf gibt, dass es sich dabei lediglich um eine Aktion von Aktivist:innen handelt, sind die miserablen Arbeitsbedingungen und viel zu niedrigen Löhne in Sweatshops längst kein Geheimnis mehr. Zum Beispiel ist seit langem bekannt, dass auch Primark im berüchtigten Rana Plaza in Bangladesch produzierte, bei dessen Einsturz im Jahre 2013 mehr als 1100 Arbeiter:innen des Sweatshops ums Leben kamen [5]. Um seine Näher:innen hat sich Primark zumindest damals nicht gekümmert. Auch das Konzept der Fast Fashion Industrie, in denen Primark, Zara & Co als Big Player mitspielen steht komplett im Kontrast zu angelblichen Bemühungen in Zukunft mehr auf ihre Umwelt zu achten. Denn die Billigpreise animieren weiterhin zur Wegwerf-Kultur.

Trotz dieser Vorwürfe verkündet Primark nun stolz ein drei Säulen Modell („Kleidung ein längeres Leben geben“, „Das Leben auf unserer Erde schützen“ und „Das Leben der Menschen verbessern“), mit dem Ziel dass sich nicht nur Konsumenten, sondern auch die Umwelt Primark-Mode leisten können [6]. Klingt super, die Umsetzung bleibt jedoch fragwürdig, solange ein billiger Preis weiterhin an erster Stelle steht. Denn dieser wird nun mal innerhalb der ganzen Fast-Fashion Industrie eigentlich immer auf Kosten der Umwelt und fairen Löhnen finanziert. Ein zweiter Blick auf Primarks Strategie und Ziele wirft weitere Fragen auf. Zum Beispiel ist bei Kennzahlen dabei ausdrücklich nur von TIER-1 Zulieferern die Rede und nicht von der gesamten Lieferkette. Wahre Transparenz sieht anders aus. Für uns ist die Kampagne daher ein klarer Fall von Green- und Bluewashing.

Beispiel H&M: Wie nachhaltig ist es Kleidung zu recyclen?

Auch der schwedische Modekonzern H&M lässt sich immer wieder neue Strategien einfallen, um - zumindest nach eigenen Angaben – Fast Fashion nachhaltiger zu gestalten. Schaut man sich die Nachhaltigkeitsbemühungen der letzten Jahre jedoch genauer an, muss sich auch H&M Vorwürfe des Greenwashings gefallen lassen. Die Conscious Collection beispielsweise ist seit mehreren Jahren fester Bestandteil der Modekette. H&M behauptet als Erklärung: „Unsere nachhaltigeren Produkte werden mit besonderer Rücksicht auf den Planeten hergestellt: Sie bestehen zu mindestens 50% aus nachhaltigeren Materialien wie Bio-Baumwolle oder recyceltem Polyester“ [7]. Das Problem: auch recyceltes Polyester zum Beispiel aus PET-Flaschen ist schlecht für die Umwelt. Bei jedem Waschgang gelangt nämlich Mikroplastik in unser Abwasser, was schlussendlich in den Ozeanen landet und von dort nicht mehr entfernt werden kann. Laut Studien der Changing Market Foundation ist recyceltes Plastik damit genauso umweltschädlich wie herkömmliches [8]. Reingewaschen wird mit der Kollektion also neben dem Unternehmensimage eher das schlechte Gewissen von unwissenden Konsument:innen.

Ebenfalls oft kritisiert wird das Recycling Programm von H&M, bei dem Kund:innen dazu aufgerufen werden, nicht mehr gebrauchte Kleidung in einem H&M Store abzugeben. Diese wird dann von einem Drittanbieter eingesammelt, um im Anschluss je nach Zustand weiterverkauft, zu Putzlappen verarbeitet oder zu Textilfasen geschreddert und recycelt. Im Gegenzug erhalten H&M Kund:innen einen Gutschein für den nächsten Einkauf [9]. Was laut Kritikern dabei hauptsächlich angekurbelt wird ist ein unaufhörlicher Kreislauf von Konsum. Außerdem gibt es Vorwürfe, dass Teile der gespendeten Klamotten am Ende trotzdem im Müll landen bzw. verbrannt werden. Auch das Verbrennen von Ladenhütern, die nicht verkauft werden, ist leider eine bekannte Praxis in der Industrie [10] und steht im großen Kontrast zu Nachhaltigkeitsaspirationen.

Hoffnung bietet hingegen die jüngste Innovation bei H&M. Eine Inhouse Recycling Maschine namens Looop soll vor Ort aus alter Kleidung neue zaubern. Laut Angaben von H&M passiert dies ohne zusätzlichen Wasserverbrauch und schädliches Färben, indem die Maschine den Stoff zerkleinert und daraus ein neues Kleidungsstück strickt. Bisher gibt es Looop jedoch leider nur in einer Filiale in Stockholm [11]. Doch auch hier bleiben Fragen offen, wie nachhaltig der Prozess tatsächlich ist. Um das Material zu stärken wird nämlich ein gewisser Anteil an neuen Stoffen hinzugefügt. Wie hoch dieser Anteil ist, gibt H&M nicht Preis und Verheimlichung war bekanntlich noch nie ein gutes Zeichen [12].

Guide: Woran erkenne ich Green- und Bluewashing?

Wie unsere Beispiele der Textilindustrie zeigen, ist Green- und Bluewashing nicht immer offensichtlich. Um Greenwashing zu erkennen und entsprechende Produkte zu meiden, wurden deshalb 2007 die sechs Sünden des Greenwashings zusammengetragen (Original: The Six Sins of Greenwashing) [13]. Diese lassen sich ebenfalls auf Bluewashing übertragen und lauten übersetzt wie folgt:

  • Die Sünde des versteckten Kompromisses

  • Die Sünde des fehlenden Nachweises

  • Die Sünde der Vagheit

  • Die Sünde der Irrelevanz

  • Die Sünde des Schwindelns

  • Die Sünde des geringeren Übels

Details und Beispiele kannst du der unteren Tabelle entnehmen. Um dir Arbeit und aufwendige Recherchen zu ersparen kann es außerdem helfen, bei Verdacht das Unternehmensprofil auf overlook.one aufzurufen. Hier findest du übersichtliche Daten, unsere Nachhaltigkeitsscore, um Unternehmen zu vergleichen, sowie wertvolle Kommentare von Membern, die bereits Erfahrungen mit dem Unternehmen und dessen Produkte gesammelt haben. Natürlich kannst du auch selbst dabei helfen, ähnliche Fälle aufzudecken, indem du Unternehmen bewertest. Dies kannst du zum Beispiel in der Kategorie Glaubwürdigkeit, sollten dir Unstimmigkeiten auffallen oder wenn du ein Unternehmen auf frischer Tat ertappst, wie es eine der Sünden begeht.

Sünde

Erklärung

Greenwashing

Bluewashing

Die Sünde des versteckten Kompromisses

Unternehmen suggerieren, ihr Produkt oder ihre Marke sei nachhaltiger als sie in Wirklichkeit sind, denn durch die Konzentration auf ein einzelnes nachhaltiges (Produkt-) Merkmal werden andere, weniger positive Eigenschaften ausgeblendet

z.B. das Hervorheben einer umweltfreundlichen Verpackung, während das Produkt selbst überhaupt nicht umweltfreundlich ist. Unter anderem Kosmetikhersteller achten mittlerweile sehr auf die Verpackung, aber nicht darauf, das Inhaltsstoffe ökologisch angebaut wurden (Stichwort Palmöl)

Im Rahmen der Kommunikations-strategie werden einzelne soziale besondere Projekte hervorgehoben, während Missstände verschwiegen werden. So sollen z.B. miserable Arbeitsbedingungen in der Produktion oder unfaire Löhne bei Drittlieferanten kaschiert werden

Die Sünde des fehlenden Nachweises

Betrifft alle Behauptungen, die nicht durch verlässliche Beweise gestützt werden können oder bei denen die Nachweise nicht leicht zugänglich sind. Daher sollte das Produkt am besten von einer dritten Partei zertifiziert werden oder es müssen zumindest detaillierte, glaubwürdige Informationen zugänglich sein, zum Beispiel direkt auf der Unternehmens-webseite

Ein Unternehmen kommuniziert seine nachhaltige Entwicklung im Vergleich zu den letzten Jahren auf Social Media (z.B. CO2 Reduktion um 20%) veröffentlicht jedoch keine Nachhaltigkeits-berichte mit entsprechenden nachvollziehbaren Zahlen. Aussagen können somit nicht überprüft werden und Vergleiche sind ohne Relation nutzlos

In der Textilindustrie gibt es mehrere freiwillige Kodexe, um angeblich ethische Verhalten zu gewährleisten. Da Standards jedoch nicht durch unabhängige dritte Parteien geprüft werden, sondern nur durch Selbstkontrolle, überzeugt dies wenig. Behaupten sich daran zu halten kann schließlich jeder

Die Sünde der Vagheit

Umfasst weit gefasste oder Schlecht definierte Aussagen, welche von Kunden schnell falsch verstanden werden

Ein Beispiel ist die Werbung mit recycelten Materialien ohne Angabe eines bestimmten Prozentsatzes, denn „so viel wie möglich“ können leider auch nur 5% bedeuten

Besonders in der Textilindustrie werden immer wieder ungenaue Standards definiert, zum Beispiel indem nicht die ganze Lieferkette in Ziele miteinbezogen werden oder Ziele nicht spezifiziert werden. Wenn man sich keine konkreten Ziele setzt kann man sie nun mal auch nicht verfehlen. Auch Formulierungen wie die Orientierung an durchschnittlichen gegenüber existenziellen Löhnen machen hier einen Unterschied

Die Sünde der Irrelevanz

Aussagen, die zwar der Wahrheit entsprechen, aber überhaupt nicht wichtig zur Meinungsbildung sind (unter anderem weil diese Selbstverständlich sein sollten)

Manche Hersteller betonen zum Beispiel den Verzicht auf bestimmte Inhaltsstoffe, die ohnehin gesetzlich verboten sind, um sich besser darzustellen

Ein Unternehmen wirbt damit, den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen. Das ist schön und gut, ist aber keine besondere Leistung und kann somit ein Indiz für Bluewashing sein

Die Sünde des Schwindelns

Schlichtweg falsche Behauptungen, zum Beispiel in Form von Missbrauch von Zertifizierungen oder falschen Aussagen und dreiste Lügen

Missbrauch von Umwelt-zertifizierungen, also das Verwenden von Labels für die das Unternehmen gar nicht qualifiziert ist oder Falschaussagen

Missbrauch von Zertifizierungen, also das Verwenden von Labels für die das Unternehmen gar nicht qualifiziert ist oder Falschaussagen

Die Sünde des geringeren Übels

Wenn ein Produkt zwar wahrheitsgemäß als umweltfreundlicher /sozial verträglicher als seine Konkurrenten bezeichnet werden kann, die gesamte Produktkategorie jedoch umweltschädlich bleibt bzw. keine fairen Bedingungen herrschen

Als Beispiel können hier Insektizide genannt werden. Auch die Fast Fashion Industrie an sich ist und bleibt aufgrund des Konzepts des schnellen Konsums nicht nachhaltig, da eine Wegwerfkultur gefördert wird. Dabei macht es nur einen kleinen Unterschied, ob für ein T-Shirt etwas weniger Ressourcen verwendet wurden

Faire Arbeits-bedingungen sind in der Fast Fashion Industrie aufgrund der billigen Preise schier unmöglich. Ob ein Anbieter folglich ein paar Cent mehr pro Stunde zahlt, lässt ihn im Vergleich zur Konkurrenz vielleicht besser dastehen, mit fairen Arbeits-bedingungen hat dies aber noch lange nichts zu tun

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