overlook Blog

Zurück zur Übersicht

Pinkwashing - wie Unternehmen sich unter dem Regenbogen tarnen und was wir dagegen tun können

Autor:in Nicole Feger

Datum: 2022-07-11

image for blog post

Während sich passend zum Sommeranfang draußen die Natur bunt präsentiert, packen im Juni auch wieder Unternehmen die Farbstifte aus. Denn im Juni ist Pride Month 2022, der bestimmt auch dieses Jahr auf sämtlichen Social Media Plattformen viele bunte Flaggen und Regenbogenlogos mit sich bringt - angeblich um unternehmerische Solidarität gegenüber der LGBTQIA+ Community zu veranschaulichen, sexuelle Selbstbestimmung zu fördern und um mehr Aufmerksamkeit gegen Diskriminierung zu schaffen.

So tauschten 2021 auch einige Großkonzerne, wie Mercedes und BMW, speziell für diesen einen Monat ihr offizielles Logo durch ein Regenbogenlogo aus und präsentierten sich in den letzten Jahren unter anderem als Teil der Christopher Street Day Parade [1]. Auch für den Pride Month 2022 werden wieder bunte Firmenwägen erwartet. Partner des diesjährigen CSD, welcher in Berlin am 23.07.2022 stattfindet, sind unter anderem Mastercard, Carlsberg oder ShareNow [2].

Obwohl man nicht bestreiten kann, dass die LGBTQIA+ Community mehr Aufmerksamkeit verdient (vor allem in Zeiten von „Don´t Say Gay“ Gesetzesentwürfen, welche Sexualität in U.S.-Grundschulen zurück zum Tabuthema degradieren [3] ), ernten Unternehmen immer wieder Kritik für diese Art des Aktionismus. Denn problematisch wird es vor allem, wenn das Engagement der Unternehmen nicht über leere Worte und dem Gebrauch von Regenbogenflaggen hinausgeht oder sogar von Diskriminierungsfällen innerhalb des Unternehmens ablenken soll. Wenn die Glaubwürdigkeit solcher unternehmerischen Initiativen angezweifelt wird, ist daher oft von Pinkwashing die Rede.

Was genau ist Pinkwashing?

Der Begriff Pinkwashing ist wie auch Green- oder Bluewashing an das englische Wort für Schönfärberei (whitewashing) angelehnt. Im Grunde geht es also darum, dass Unternehmen sich in der Öffentlichkeit besser darstellen, als sie in Realität handeln. Doch welche Farbe steht denn nun für was?

Während es sich bei Greenwashing um die falsche oder übertriebene Darstellung von Nachhaltigkeitsaspekten dreht, werben Unternehmen bei Bluewashing mit sozialen oder ethischen Kampagnen, welche Konsument:innen ein falsches Bild suggerieren [4]. Gleichermaßen handelt es sich bei Pinkwashing um gezielte PR- oder Marketingaktivitäten, die nach außen Engagement in der LGBTQIA+ Community suggerieren, welches innerhalb des Unternehmens allerdings nicht (oder zumindest nicht in ähnlichem Ausmaß) umgesetzt wird. Pinkwashing bezeichnet daher eine Strategie, bei der durch Solidarität mit der LGBTQIA+ Community für bestimmte Produkte oder Marken geworben wird, ohne dass sich Unternehmen darüber hinaus für die Community einsetzten. Oft wird eine solche Aktivität auch als Pride- oder Rainbow-washing bezeichnet. Dabei zielen Unternehmen darauf ab, sich selbst offener oder toleranter darzustellen, während queere Menschen unternehmensintern entgegen solchen Aussagen noch immer benachteiligt werden [5]. Da Praxis und Kommunikation hier nicht zusammenpassen lautet der Vorwurf: Irreführung von Konsument:innen mit dem Ziel der Absatzsteigerung oder Aufpolieren des eigenen Images durch Vortäuschung von Toleranz [6].

Das Problem mit den Regenbogenflaggen: Einige Unternehmen sind auf der Suche nach dem Geldtopf

Immer wieder wird argumentiert, dass Unternehmen ihre Bekanntheit nutzen sollen, um mithilfe öffentlichkeitswirksamer Aktivitäten (wie beispielsweise den Regenbogenlogos) immerhin Aufmerksamkeit für wichtige Themen zu generieren. Und ja, Unternehmen tragen nicht zuletzt aufgrund ihrer Reichweite natürlich auch eine soziale Verantwortung, deren sie sich nicht entziehen dürfen. Vor ein paar Jahren waren öffentliche Statements von Unternehmen eher Mangelware, was insgesamt auf eine positive Entwicklung hindeutet. Trotzdem ist es nicht okay, sich mit fremden Farben zu schmücken. Fehlt die entsprechende Umsetzung passend zum jährlichen Regenbogenlogo leidet nämlich schnell die Glaubwürdigkeit von Unternehmen. Stattdessen muss unternehmerisches Engagement über die Selbstdarstellung und monetäre Anreize hinaus gehen. Hier ist ganz klar Handeln gefragt!

Laut einer Studie durchgeführt von Appinio im Jahre 2021 sind rund 60% der Befragten der Meinung, Unternehmen sollten die LGBTQIA+ Community unterstützen. Die Mehrheit findet es gut, dass Marken das Bewusstsein für den Pride Month steigern. Doch das Motiv spielt hierbei eine große Rolle. Gleichzeitig äußerten nämlich fast 70% der Teilnehmenden die Sorge, dass Unternehmen den Pride Month ausschließlich für kommerzielle Zwecke nutzen [7]. In anderen Worten: die Unternehmen seien vermehrt auf der Suche nach dem Topf voll Gold, der am Ende des Regenbogens auf sie wartet.

Handelt es sich also um einen Kampf für Gleichberechtigung oder doch eher Gier nach Umsatz? Die Frage bleibt in vielen Fällen schwer eindeutig zu beantworten. Dennoch reicht es für glaubwürdiges Engagement nicht aus, für einen Monat das Logo in Regenbogenfarben einzufärben oder ein Mal im Jahr an einer CSD Parade teilzunehmen. Viel wichtiger ist es, innerhalb und außerhalb des Unternehmens LGBTQIA+ freundliche Strukturen zu verstärken. Doch wie genau geht das?

Was macht Unternehmen zu guten Allies?

  • Ehrlicher Support geht über ein Medium hinaus: Auf sämtlichen sozialen Medien, aber auch offline werden die selben Werte gelebt.

  • Ein klarer Standpunkt wird vertreten: Das Unternehmen steht öffentlich für seine Überzeugung ein und äußert sich auch offen zu kritischen Meinungen im Bezug auf das Thema.

  • Diversität wird gelebt: Das Unternehmen fördert eine diverse Belegschaft, stellt Personen der LBGTQIA+ Community ein und achtete dabei auf Gleichberechtigung.

  • Unternehmensstrukturen tragen bei, dass sich Mitarbeitende der LGBTQIA+ Community wohlfühlen: Dafür können zum Beispiel Toiletten für non-binäre Menschen angeboten oder ein Netzwerk zum Austausch bereitgestellt werden.

  • Unternehmen engagiert sich über mediale Aufmerksamkeit hinaus: Werden zum Beispiel durch Pride-Kollektionen Einnahmen generiert, sollten zumindest Teile davon an gemeinnützige Organisationen gespendet werden [8].

  • Weitere Orientierung bietet unter anderem der Pride Index und das PRIDE Champion Siegel der Uhlala Group (https://pride-champion.de/): Fragen zu den Themenfeldern Organisationsstruktur, HR & Recruiting, Kommunikation & Sichtbarkeit und rechtlicher Rahmen & Regelungen verschaffen einen Eindruck darüber, welche Unternehmen umfangreiche Maßnahmen zur Unterstützung ihrer LGBTQIA+ Beschäftigten etabliert haben [9]. Ebenso kann der Corporate Equality Index (https://www.hrc.org/resources/corporate-equality-index) eines Unternehmens herangezogen werden, um vermeintlichen Aktivismus zu evaluieren.

Um aufzuzeigen, was bereits gut gemacht wird und wo Potential nach oben zu finden ist, haben wir für euch ein besseres und ein schlechteres Beispiel von Aktionismus durch Unternehmen in der LGBTQIA+ Community recherchiert.

Lush: Aus Kritik muss man lernen

Der britische Kosmetikhersteller Lush beispielsweise beschäftigt sich auch außerhalb des Pride Months mit Themen der LGBTQIA+ Community. Nach eigener Aussage arbeitet das Unternehmen das ganze Jahr über mit etablierten Organisationen zusammen und sammelte unter anderem Spenden zur Unterstützung für Menschen in Ländern mit Anti-Gay-Gesetzen [10]. Das zeugt von Aktionismus, der über leere Worte und vor allem über den Pride Month hinaus geht. In München beispielsweise stellte Lush seinen Store dem „All out & MTV LGBT+ Photo Award 2021“ als Galerie zur Verfügung [11].

Neben inklusiven Kampagnen, welche Mitglieder der LGBTQIA+ Community widerspiegeln, unterstützt Lush durch ihre Charity Pot Aktion verschiedenste Projekte, auch im Bereich LGBTQIA+. Seit Jahren arbeitet Lush mit einigen LGBTQIA+ Organisationen in den USA zusammen. Allerdings unterstütze das Unternehmen im Zuge ihrer Aktion im Jahr 2020 auch die Gruppe „Women’s place UK“, welche Transfrauen systematisch exkludiert und wurde dafür stark kritisiert. Kurz darauf distanzierte Lush sich jedoch wieder von der Gruppe und nahm einen klaren Standpunkt gegen die Diskriminierung von Transfrauen ein [12]. Dieser Vorfall verdeutlicht, wie schwer es ist, bei sensiblen Themen immer alles richtig zu machen. Fehler passieren, doch das Wichtigste ist wohl, aus Kritik zu lernen und sich Feedback aus der Community zu Herzen zu nehmen.

BMW: Luft nach oben

Kritik hagelte es im Pride Month letztes Jahr vor allem auch für den Autokonzern BMW, nachdem sich dieser auf seiner internationalen Instagram Seite stolz mit Farben der Regenbogenflagge präsentierte. Das Problem: BMW vertritt diesen Standpunkt anscheinend nicht weltweit, denn in Russland und Saudi-Arabien erschien weiterhin nur das normale und kein Regenbogenlogo, um Konfrontation und Strafen aus dem Weg zu gehen. Denn in diesen Ländern steht positive Darstellung von Homosexualität bis heute unter Strafe. Laut BMW blieb es den örtlichen Vertriebsgesellschaften selbst überlassen, wer sich der Kommunikationskampagne anschließen möchte. Aufgrund von gesetzlichen Vorschriften und kulturellen Unterschieden wurde sich in einigen Ländern dagegen entschieden [13]. Damit blieb jedoch die wichtige Chance Änderungen anzustoßen leider ungenutzt und dem Unternehmen wurde aufgrund der Inkonsistenz Doppelmoral vorgeworfen. Social Media meint: da geht noch mehr! Und es bleibt spannend, ob BMW im Pride Month 2022 eine Kampagne mit mehr Impact startet.

Was können Konsument:innen gegen Pinkwashing tun?

Wie auch Unternehmen zum Handeln aufgefordert sind, sollten auch wir als Konsument:innen nicht nur Zusehen, sondern ebenfalls Initiative ergreifen. Wie solltest du also damit umgehen, wenn dir ein Fall von Pinkwashing auffällt, zum Beispiel in Form eines Posts in sozialen Medien? Hierzu findest du am Ende des Beitrags einen kurzen Guide mit einigen Ideen, sollten dir Kommunikationsmaßnahmen von Unternehmen im Pride Month 2022 negativ auffallen.

Wir bei overlook möchten vor allem eins: auf solche Fälle des Pinkwashings aufmerksam machen, um damit dir als Konsument:in Kaufentscheidungen zu erleichtern. Neben ökologischen Aspekten gibt es auf unserer Plattform deshalb ebenfalls die Möglichkeit, die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens zu bewerten und damit für die overlook-Community wichtige Tendenzen zu schaffen. In diese Kategorie fallen auch Fälle des Pinkwashings oder sonstige widersprüchliche Aussagen von Unternehmen, welche dich das Motiv hinter sozialem Engagement anzweifeln lassen. Wichtig ist es außerdem, nicht nur andere Konsument:innen zu warnen, sondern auch den Unternehmen konstruktives Feedback zu geben. Im besten Fall kommt dies natürlich von den eigenen Mitarbeitenden, die von innen heraus Verbesserungspotential erkennen und das Gespräch mit Verantwortlichen suchen. Für außenstehende Einzelpersonen ist es jedoch oft schwer, solche Kontakte herzustellen. Aus diesem Grund wollen wir auf overlook nicht nur den Austausch zwischen Membern, sondern auch die direkte Kommunikation mit Unternehmen fördern und damit Veränderung vorantreiben.

Pinkwashing_Asset

EU-Logo